BMW 2002 turbo – schon 1973 eine automobile
Revolution
Am
21. September 1973 befasste sich der Bundestag mit Frontspoilern an
Automobilen.
Der
Autohersteller BMW hatte der stärksten Variante des Modells 2002 den Schriftzug „Turbo“ auf das Luftblech unter
der vorderen Stoßstange geschrieben, und zwar in Spiegelschrift, so dass die anderen Autofahrer die Botschaft im
Rückspiegel lesen konnten: Turbo,
Widerstand zwecklos, runter von meiner Spur. Der parlamentarische
Staatssekretär Haar erklärte seinerzeit in der Bundestagssitzung, die
Bundesregierung betrachte ,,Auswüchse sportlicher Aufmachung von
Kraftfahrzeugen mit Sorge". Es war das erste Mal, dass die Politik sich in
Designfragen einmischte. BMW lieferte den 2002 ohne Turbo-Schriftzug aus – und
gewann den ideologischen Krieg trotzdem.
Weitere Fotos vom 2002 turbo findet man unter: http://www.stanceworks.com/2016/03/100-years-of-bmw-the-bmw-2002-turbo-at-amelia-island/
Der BMW 2002 turbo
mit 170 PS war das erste in Serie hergestellte Auto mit Abgasturbolader. Das
nur in den Farben Silber und Weiß (Chamonix) erhältliche Modell wurde nach nur
14 Monaten und 1672 hergestellten Fahrzeugen wieder
eingestellt. Originale haben deshalb heute einen hohen Sammlerwert.
Heute dürfen diese Fahrzeuge auch ohne Diskussion den originalen Schriftzug am
Frontspoiler tragen, denn inzwischen hat sich die Welt an derartiges gewöhnt.
Somit auch ein Verdienst des BMW 2002 im Jahr 1973.
Der Aufstieg von BMW
zum Traumwagen aller Angestellten markierte das Ende der Opel-Republik - und
des moralischen Programms, für das Opel seinerzeit stand. Opel war der
bescheidene, sozial verträgliche Aufstiegstraum der noch relativ jungen
Bundesrepublik: Man wurde Kadett, ackerte im Rekord-Tempo, wurde Kapitän. Die
großen Opel sahen aus wie motorisierte Sonntagsbraten, die Weißwandreifen wie
senkrecht gestellte Buttercremetorten, die verchromten Haifischflossen machten
einen Hauch Manhattan - Opal war die Erfüllung des Traums einer
amerikanisierten Bundesrepublik, war Wohlstand für alle, nivellierte
Mittelstands-Gesellschaft auf Rädern - und damit war plötzlich Schluss. „Was
gibt es schöneres als eine Überlandpartie?", fragte die
Opel-Rekord-Werbung noch brav, aber plötzlich schallte aus dem BMW-Lager die
hämische Antwort: „240 Stundenkilometer auf der Autobahn Nürnberg-München“.
Leider nichts für VW- oder Opelfahrer.
Kann
Design moralisch sein? Das von Opel war es in gewisser Weise - was der Marke
zum Verhängnis wurde. Ein Rekord guckte ausgemacht gutgekämmt und höflich
drein. Das Design sagte „bitte nach Ihnen“, den Karosserien war die frühe
bundesrepublikanische Mittelstandsethik ins Blech gepresst: Kadett, Rekord, sogar
der schmalspurige Manta B erzählten die Geschichte von Sparsamkeit,
Zuverlässigkeit und Familiensinn. Anders BMW - die Autos sahen seit den frühen
siebziger Jahren aus wie Waffen und kündigen mit ihrer gut gelaunten
Aggression seitdem den sonst eher ausgeglichenen Mittelstandskonsens auf.
JKS / 05.2018